by J. Derrida » 2. September 2004, 10:25
Also erstmal eine Frage an alle, die der Meinung sind, dass Sprache keine konstitutive Rolle bei unserer Welterfahrung spielt.
Wie erklärt ihr euch, dass bei Völkern, die keinen Begriff für Liebe kennen, das Phänomen Liebe, (wie wir es kennen), nicht gibt?
Ihr nehmt doch alle an, dass es Liebe gibt?
Das ist jetzt auch nur eines von vielen Beispielen. Es ist zum Beispiel empirisch unzweifelhaft belegt, dass Länder mit ähnlichen Sprachgrundlagen (bspw. die lateinischen) auch ähnelnde Weltansichten haben. Frankreich und Deutschland beispielsweise, wohingegen Deutschland und Japan sich weniger ähnlich sind. Diese Parallelitäten bzw. Unterschiede liegen natürlich, wenn überhaupt, nicht nur in der Sprache begründet , sondern selbstverständlich auch in geschichtlichen Begebenheiten, etc. Dennoch denke ich, dass solche Zusammenhänge (falls es denn welche sind) durchaus untersuchenswert und erwähnenswert sind.
Zu dem "Argument" contra, dass Sprache sich schnell wandelt, kann ich nur sagen, dass sich Sprache auffallend häufig auch in gesellschaftlichen Umbrüchen verändert. (s. Karl Kraus)
Von allen, die von einer Dekonstruktion durch Sprache ausgehen möchte ich gerne wissen, ob, und wenn ja, man einen Ausweg aus dieser sehen kann!
Zu der zweiten Frage: Was würde euch denn davon überzeugen, dass es übernatürliche Phänomene gibt?
Ich habe mir mit meinem Kollegen dieselbe Frage gestellt. Unsere Überlegungen kamen zu dem Punkt, dass es in unserer Gesellschaft wahrscheinlich ein wissenschaftlicher Beweis sein müsste (irgendetwas Messbares etc.) um jemanden von der Existenz solcher Erscheinungen zu überzeugen. Aber ist durch diese Beweisführung nicht schon gewährleistet, dass es sie gerade nicht gibt? Ein Geist ist etwas, ja eben etwas unerklärliches. Wenn es mir nun gelänge, bspw. eine Temperaturänderung bei der Erscheinung eines Geistes festzustellen, würde die Schlußfolgerung vieler nicht sein, dass es eben lediglich eine Temperaturänderung aus verschiedenen physikalischen o. Ä. Faktoren wäre? Die Definition eines Geistes ist bestimmt durch Unerklärbarkeit, ist nicht dadurch jeder Versuch es zu erklären, zum Scheitern verurteilt???
Oder pauschaler: ist der Versuch sinnvoll, metaphysische Begegnungen empirisch belegbar zu machen? Das ist der Punkt, wo wir irgendwie immer wieder ankommen.
Obwohl jeder annimmt, dass es Liebe gibt (das behaupte ich jetzt mal), wird es uns nicht gelingen, Liebe mit wisenschaftlichen Maßstäben zu beweisen. Als anthropologische Konstante kann man es auch nicht ansetzen aus eben oben genannten Gründen.
Für alle die es interessiert:
All diese Fragen stelle ich, da ich gerade an einer Hausarbeit über Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" und der "Grammatologie" von Derrida arbeite. Die Grundgedanken, die dahinter stehen sind die, dass Wissenschaft und ihr "Erfolg" Menschen dazu bringt, nur noch das als wahr anzunehmen, was empirisch belegbar ist. Führt dies nicht zu einer Reduktion des Menschen? Die Antwort Horkheimers und Adornos ist ja. Auf der Grundlage von Hegels Dialektik formulieren sie die These, dass der letzte Weg der Aufklärung Ausschwitz sei!!! (Obwohl auch sie durchaus die nützlichen Seiten der Wissenschaft anerkennen)
Derrida entwirft auf der Grundlage von Saussure ein neues Zeichenmodell. Das Besondere hierbei ist, dass die Vorstellung mit in das Zeichen gerutscht ist. Darüberhinaus entwickelt er eine Differenztheorie, in der es keine einstelligen Bedeutungen gibt, sondern eine Definition immer erst in Abgrenzungen zu anderen in einem Netzwerk entsteht. Jegliche Fortschritte (Kant, Einstein etc.) seien lediglich Zentrumsänderungen im Netzwerk und somit kein Wirklicher.
So, das reicht jetzt auch, wen es interessiert, dem kann ich diese beide Lektüren nur ans Herz legen, denn ich habe meine Ausführungen an dieser Stelle wirklich aufs Wesentlichste beschränkt.
Zu Robert Anton Wilson: Nichts ist wahr, alles erlaubt :lol:
Wenn du Robert Anton Wilson magst, dann solltest du mal Timothy Leary lesen. Die beiden haben auch teilweise zusammengearbeitet, glaube ich!