by nihilyst » 29. September 2008, 23:27
Ich bin normalerweise nicht der Typ, der sich, um einen Kommentar abzugeben, in einem Forum registriert, aber ich denke, dass ihr jede Meinung redlich verdient habt.
Erstmal weiß ich, wie hart es ist, ein Spiel auf die Beine zu stellen, da so ein Spiel aus vielen verschiedenen Künsten wie der Schriftstellerei, der Musik, der Malerei oder des Schauspiels besteht, die alle miteinander in Einklang gebracht werden wollen. Das kostet sehr viel Schweiß, und dass ihr nach so langer Zeit und so vielen Mühen Baphomets Fluch 2.5 auch noch kostenlos anbietet, adelt euch sehr, und ich denke, dass es so aufwändig produziert ist, dass ich den Vergleich mit kommerziellen Spielen angebracht fände. Ihr spielt definitiv in einer hohen Liga mit.
Die grafischen Elemente sind euch zum größten Teil gut gelungen. Die Hintergründe sind liebevoll gestaltet; sie tragen den Flair der ersten beiden Teile. Auch die Figuren sind gut gelungen, wenngleich die Animationen hin und wieder ein bisschen hackig sind, aber das hat kaum gestört. Da haben die Grafiker also ganze Arbeit geleistet. Lediglich die 3D-Videosequenzen ließen etwas zu wünschen übrig, da sie technisch und cinematisch z.B. den Videos von Zak 2 doch weit unterlegen waren. Aber das ist eigentlich kein Kritikpunkt, denn Full-Motion-Videos sind mit Sicherheit eine Heidenarbeit, und das, was ihr mit ihnen geleistet habt, ist dennoch beachtlich.
Die Toneffekte und Ambientsounds sind euch gelungen, ihr dezenter Einsatz hat die Hintergründe passend untermalt, man hatte immer das Gefühl, dabei zu sein, das Stereo wurde gut ausgenutzt. Die Musik ähnelte in der Tat jener der Originalspiele, was ein schöne Atmosphäre verbreitet hat. Jedoch musste ich sie von der Standardeinstellung weit hinterregeln, da sie mir zu Beginn viel zu laut erschien; aber dafür sind Regler ja da ^^
Mit den Sprechern habt ihr nichts falsch gemacht. Allein die Tatsache, dass Alexander Schottky mit von der Partie war, ehrt ihn und euch; auch über die Gastauftritte von Joachim Kerzel und Norman Matt habe ich mich gefreut, da vor allem Norman Matt zu meinen Lieblingssprechern gehört. Doch auch die anderen Sprecher haben Großartiges geleistet, und die Stimmen haben allesamt zu ihren Figuren gepasst; freilich gab es auch Ausnahmen, aber erfreulicherweise gab es keinen Totalausfall. Dass Schottky -- wie hier schon angesprochen wurde -- hin und wieder anders klingt und manchmal überhaupt nicht wie Schottky, ist nicht euer Problem, denn das war in Baphomets Fluch 4 auch schon so. Ich weiß nicht, woran das liegen könnte, aber es hat nur selten gestört. Was jedoch störender war, ist die Abmischung. Manche Stimmen waren fast unhörbar leise, andere wiederum normal.
Die Handlung war okay bis gut, aber was wirklich gar nicht ging, war die Dramaturgie. Wie oben schon erwähnt, wären ein paar Sequenzen oder Sätze mehr sicherlich passender gewesen. Beispiel: George sitzt im Flugzeug, man erfährt, dass Nico tot sein soll. Starker Anfang! Zwar weiß der erfahrene Spieler von Baphomets Fluch, dass das nicht sein kann, aber dennoch ... und was passiert? Die Credits laufen, dann steht George in Nicos Wohnung und sie ist am Leben. Das ist unglücklich, weil es den "Cliffhanger" des Intros gleich völlig ruiniert. Besser wäre es gewesen, sie wäre erstmal nicht da gewesen und George hätte sich erkundigen müssen. Sowas war bei vielen Szenen der Fall, z.B. dem Entkommen aus der U-Bahn.
Auch ein großer Kritikpunkt sind die größtenteils ziemlich flach geratenen Dialoge. Ganz im Gegensatz dazu gab es jedoch auch ein paar tolle Sprüche von George, die dennoch nicht ganz an den Witz des Originals heranreichen konnten, was aber auch ein schwieriges Unterfangen geworden wäre. Leider war George im Bezug auf sein Inventar nicht allzu redselig. Manchmal konnte man ihm nur ein "Hm." entlocken; z.B. hätte ich Flugzeug gerne vorher gewusst, was das für Zeug in den anderen Flaschen gewesen sein soll. Für Witze, die nicht ganz treffen wollen, gibt es eine Entschuldigung, aber für fehlende Inventarbeschreibungen nicht.
Mir ist beim Spielen auch aufgefallen, dass George in seinen Erzählungen manchmal im Präsens, manchmal im Präteritum spricht, und der Wechsel mitunter ziemlich willkürlich geschieht. Da hätte man besser lektorieren und sich auf eines von beiden einigen sollen.
Das Gameplay kann sich sehen lassen. Die Steuerung war angenehm einfach, man musste sich nicht verrenken, um Dinge zu benutzen oder anzuschauen. Lediglich die falsche Zuweisung bestimmter Mauscursor kam ziemlich häufig vor. In diesem Zusammenhang sollte auch die Frage erlaubt sein, wieso man überhaupt versuchen kann, den bewusstlosen Mann in der U-Bahn zu nehmen (was nichtmal eine falsche Cursorzuweisung ist, weil George eindeutig antwortet, dass er nicht stehlen wolle). Bestimmte Dinge waren ein ziemlicher Krampf, z.B. den Hund zu dem Mädchen zu locken. Das hätte schneller gehen müssen.
Generell hat sich George zu langsam bewegt; zum Glück gab es die Abkürzfunktion.
Die Rätsel stellen das für mich größte Problem des Spiels dar. Denn sie sind zum allergrößten Teil hanebüchen und teilweise auch noch völlig unpassend und willkürlich eingebaut, da käme ich mit dem aufzählen gar nicht mehr hinterher: die Batterien (wieso sollten die da liegen?); die Lupe (der "Notlösung" völlig auf die Stirn geschrieben steht und die ich bekomme, indem ich einen Kaffee trinke, während die Touristen weggehen; was soll'n das?); die Hundepfeife (um den Hund zum Bellen zu bringen, wodurch man die Aufmerksamkeit auf sich lenkt); das Flugzeug (wieso habe ich den armen blinden Kerl nochmal schlafen geschickt?). In der Regel waren die Rätsel auch zu einfach gestrickt: Es brennt: Was soll ich tun? Nehme ich doch einfach den Feuerlöscher, der da hängt. Fertig! Das hätte man sich sparen können. Ebenso die Uhr und noch weitere Sachen. Ich könnte so weiter machen. Das einzige Rätsel, das mir als schön in Erinnerung geblieben ist, ist die Demontage der provisorischen Angel. Alles andere war sehr enttäuschend. Aber auch da kann man euch keinen allzu großen Vorwurf machen, denn gutes Rätseldesign ist eine wirklich schwere Kunst, die viele professionelle (will sagen: kommerzielle) Adventurefirmen auch nicht geschultert haben (siehe z.B. das völlig missratene Still Life oder die Agatha-Christie-Spiele). Dennoch sind die mangelhaften Rätsel das größte Manko des Spiels, und dass ich mir beim Spielen mehrmals mit der flachen Hand auf die Stirn geschlagen habe, war der Atmosphäre des Spiels abträglich.
Alles in Allem
Kurz: Mir hat Baphomets Fluch 2.5 trotz all seiner positiven Aspekte nicht gefallen; Schuld daran waren die zum Teil wirklich stupiden und affigen Rätsel (die mir auch schon bei Zak 2 seltsam bescheuert vorgekommen sind, obwohl sie da noch etwas trickreicher waren) und die, vor allem gegen Ende zu, hastige und etwas lieblos zusammengewürfelte Dramaturgie.
Nichtsdestotrotz habt ihr da eine Leistung vollbracht, um die ihr zu beneiden seid, und auch wenn ich mit dem Spiel letzlich so hart ins Gericht gegangen bin, bin ich mir bewusst, dass ihr eure Freizeit und noch mehr dafür eingesetzt habt, dass dieses Spiel zustande kommen konnte, und diesen Ehrgeiz, diesen Arbeitseifer und dieses Herzblut habt ihr vielen anderen voraus. Ich verneige mein Haupt vor euch und freue mich auf eure nächste Arbeit.
cheers
nihilyst
@Geneticeye:
P.S. Du hast Recht, wenn du sagst, dass man, wenn man ein kostenloses Spiel erstellt, auf die Ressourcen angewiesen ist, die man hat, aber bedenkt auch, dass ihr einen tollen Grafiker hattet, einen tollen Musiker, tolle Sprecher; da wäre einer, der tolle Rätsel und eine tolle Geschichte und Dramaturgie schreiben kann, doch sicherlich auch dringewesen, oder?